Wie halte ich es mit der „Lügenpresse“?

Wenn man einen Politblog schreibt, kommt man um den Begriff „Lügenpresse“ nicht herum. Wie kann man sich diesem Begriff  nähern, warum wird er benutzt, was bedeutet er,  welchen Wahrheitsgehalt hat er? Zunächst darf man vielleicht unterstellen, dass diejenigen, die da in Dresden oder anderswo lauthals „Lügenpresse“ skandieren, vermutlich schon lange keine Zeitung mehr in der Hand gehalten haben, vielleicht das letzte Mal das Neue Deutschland zu seelig Honeckers Zeiten. Mit Presse kann deshalb kaum das klassische Organ der papierenen Zeitung gemeint sein. Es sind sicher alle Medien gemeint, öffentliche und private und wohl insbesondere Tagesschau und Heute, von denen man wohl die ausführlichsten, genauesten Informationen über das Weltgeschehen erwartet.

Bei Diskussionen von Protagonisten der Lügenpresse-Parole, hört man häufig „auch Weglassen ist Lügen“. Aber warum benutzen sie dann den justitiablen Begriff „Lügen“, dann könnten  sie doch neutral von Weglassen sprechen oder vielleicht von Lückenpresse. Das wäre überhaupt ein passender Ausdruck, ein Ausdruck, mit dem man umgehen kann, den man hinterfragen kann, über den man diskutieren kann. „Lügenpresse“ ist eine Parole, nicht hinterfragbar, eine Feststellung, die von vornherein die absolute Wahrheit über den Zustand unserer Presse, über unsere Medien für sich gepachtet hat. Und natürlich wissen die Vertreter der Lügenpresse-Parole ganz genau, was die Wahrheit ist. Die Glücklichen!

Also, was hat es mit der Lückenpresse auf sich?  Der Begriff Lückenpresse hat natürlich überhaupt keinen propagandistischen Wert. Es ist so selbstverständlich, dass jedes Nachrichtenorgan, jedes Meinungsorgan voller Lücken sein muss. Dann zu unterstellen, gerade diese Lücken drücken die Lüge aus, ist schon eine sehr gewagte These. Wer von uns wäre denn in der Lage, eine lückenlose Darstellung eines Sachverhaltes zu geben. Das gelingt ja nicht mal bei vollständiger Information oder gerade dann nicht. Wir müssen weglassen, wir müssen Lücken lassen, wir müssen sehen, wie wir unsere Meinung, unsere Information, unsere Datenlage so komprimiert rüberbringen, dass sie überhaupt noch wahrgenommen wird.

Dennoch meine ich, dass so manche Lücke ärgerlich ist, unnötig ist. Und man manchmal doch den Eindruck hat, dass sie absichtlich gelassen wurde. Nur zwei Beispiele: vor einiger Zeit gab es einen Spiegel-Titel über die Krawalle in Hamburg, indem es nicht eine einzige Angabe über die Anzahl der Demonstranten, die friedlich demonstriert haben, gab. Welche Absicht sollte Der Spiegel damit verfolgen? Man fragt sich: gab es solche Demonstranten überhaupt? Und dann der Spiegel-Titel, wie hier diskutiert, über die Wut der Bürger auf Merkel und Co. Wieder kein Wort über die friedlichen Demonstranten und man fragt sich, wenn diese Lücke gelassen wird, ist dann diese Lückenpresse nicht gerade im Sinne der Leute, die da auf den Straßen „Lügenpresse“ schreien. Der Spiegel kehrt also die Informationen nach oben, von denen eigentlich behauptet wird, dass sie gewöhnlich unterdrückt werden. Man kann daraus wohl nur den Schluss ziehen, dass Der Spiegel auf Krawall gebürstet ist. Dass er diesen Krawall, der zuweilen durch die Straßen zieht, geradezu liebt, ihn braucht, um Umsatz zu machen oder aus welchen Gründen auch immer. Was folgt nun daraus? Der Spiegel und natürlich auch andere solche Organe sind tendenziös in ihrer Berichterstattung, aber wenn ich es richtig verstehe, nicht unbedingt im Sinne von „denen da oben“, im Sinne der Politiker, im Sinne der Wirtschaftsbosse, im Sinne der Besitzer oder von sonst irgendwen, der da meint, das Sagen zu haben, sondern mit einer Absicht, die nicht unbedingt einfach zu durchschauen ist oder eben schlicht auf Umsatz aus ist. AfD, Weidel und Co. verkaufen sich halt besser als Schulz, Kauder, Merkel usw.

Fazit: Die kritische Betrachtung der Lückenpresse ist geboten und eine wichtiges Anliegen von Politopa, ohne dass man gleich in Lügenpresseschreierei ausbrechen muss. Und eines darf man mit Sicherheit festhalten: Wer Willens ist, die Lücken zu schließen, die unsere Medien hinterlassen, der kann sie auch ohne Gefahr für Leib und Leben schließen, wenn sie halt überhaupt schließbar sind. Wer auch dies bezweifelt, sollte in eine ordentliche Diktatur auswandern.