Der Pro&Contra-Artikel in der Welt am Sonntag (10.05.2020) wird als Beispiel für Techniken genommen, mit denen man versucht, den Leser von seinem Standpunkt zu überzeugen. Ich habe mich bemüht, sowohl den Pro-Standpunkt als auch den Contra-Standpunkt nur unter dem Gesichtspunkt des Überzeugt-werdens zu betrachten, was ich in einem Meinungsartikel als legitim ansehe.
Die Videofassung findest du hier https://youtu.be/VHgBBFoNeMo
Den folgenden Text habe ich den beiden Autoren des Pro und Contra zugeschickt, worauf sich eine sehr freundlicher Email-und auch witziger Videoaustausch anschloss. Pia Heinemann bat darum, dass ich auch meine Beiträge zuschicke, wenn sie eine 5 bekommt. Ich kann den Dialog hier nicht wiedergeben, da ich nicht um die Erlaubnis zur Veröffentlichung gebeten habe.
Hier nun mein Text
Der Artikel in der Welt am Sonntag (10.05.2020) wird als Beispiel für Techniken genommen, mit denen man versucht, den Leser von seinem Standpunkt zu überzeugen. Ich habe mich bemüht, sowohl den Pro-Standpunkt als auch den Contra-Standpunkt nur unter dem Gesichtspunkt des Überzeugt-werdens zu betrachten, was ich in einem Meinungsartikel als legitim ansehe.
Pro
Pia Heinemann versucht, mich von vornherein darauf einzustimmen, dass vorsorgendes Verhalten nur selten Anerkennung findet. Warum? Das Problem oder die Gefahr, die man abwehren wollte durch Vorsorge, ist ja nicht eingetreten. Bestand das Problem überhaupt? Das sogenannte Präventionsparadox sagt schlicht und einfach, wer Vorsorge trifft, weiß hinterher nie, ob die Vorsorge gewirkt hat oder ob sich das Problem mehr oder weniger von selbst erledigt hätte.
Dann wird emotionalisiert mit verzweifelten Ärzten im Wuhan und Bergamo, mit Leichensäcken, die sich stapeln und von Militärkonvois abtransportiert werden. Und es wird etwas herablassend über die schwedischen Maßnahmen nach dem Schema „vertraut einander“ gesprochen.
„Das Virus ist derzeit einigermaßen unter Kontrolle“ ist eine Behauptung, die kaum beweisbar ist, da man nicht genau weiß, was das heißt. Dann wird ein kausaler Zusammenhang hergestellt: „Durch die entschiedenen Maßnahmen sind bereits jetzt Lockerungen möglich.“ Wirklich durch die entschiedenen Maßnahmen? Das ist ja gerade das, was man nie genau weiß und das gesteht Heinemann ja auch zu. Man wird diese Frage, schreibt sie, “ wohl nie eindeutig beantworten können und noch weiter mit diesem Präventionsparadox leben müssen. Und weiterhin ganz sachlich „noch immer kennen wir das Virus und die Erkrankung schlecht“
Fazit: Journalistisch ist der Beitrag nur wenig zu beanstanden (2+). Der relativ schwache Versuch, mich für die Vorsorgeproblematik empfänglich zu machen, ist legitim, die Emotionalisierung durch Beispiele aus dem Ausland könnte etwas sachlicher ausfallen, jedoch würde die Überzeugungskraft darunter leiden, die ohnehin etwas schwach ausfällt, jedenfalls für die Klientel, die erreicht werden müsste.
Contra
Andreas Rosenfelder steigt in seine Kontraposition sofort mit sehr negativ besetzten Begriffen und Phrasen ein. Er redet von „Miniaturfreiheiten“, die Angela Merkel „unter genervten Augenrollen“ zugesteht, die Kontaktreduzierung übersetzt er in Kontaktsperre, um sie als ein „Instrument des Strafvollzugs“ diskreditieren zu können. Und mit den neuen Obergrenzen “ droht schon der nächste Lockdown“. Damit ist eine komplette negative Einstimmung vorgenommen worden.
Er behauptet, dass aus dem Präventionsparadox ja nicht umgekehrt gefolgert werden könne, dass der Lockdown richtig war. Das hat meines Wissens niemand, der ein wenig bei Verstand ist, behauptet. Ob diese Behauptung auf die Pro-Position Bezug nimmt, weiß ich nicht, weil ich nicht weiß, ob die Positionen unabhängig erstellt wurden.
Dann wird ein Mathematiker Isaac Ben-Israel angeführt (wer ist das?), der nachgewiesen habe, dass die Infektionskurve durch den Lockdown kaum beeinflusst wird. Das sind leider typische Bemerkungen in solchen Artikeln, in denen man nicht verpflichtet ist, eine Literaturangabe zu machen.
Dann werden die Alten, Übergewichtigen, chronisch Kranken und das kaputte Gesundheitssystem als die eigentlich Verantwortlichen für die desaströsen Verhältnisse im Ausland verantwortlich gemacht. (Das gibt es in Deutschland natürlich alles nicht und das teuerste Gesundheitswesen der Welt, das amerikanische, als kaputt zu bezeichnen, ist sicher nicht falsch aber sehr mutig). Dann wird auch noch Kekulé als der oberste Kinder-Psychologe des Landes bemüht, die hygienische Erziehung „hätte das Potential eine ganze Generation zu traumatisieren“
Es wird behauptet, dass die Befürworter sagen, wenn man auf Nummer sicher gehe, da mache man doch nichts falsch. Wo stand das? Jeder weiß, dass auch falsch gehandelt werden kann. Keiner behauptet, dass der Locktown das Allheilmittel ist. Und wenn Rosenfelder „testen und nachverfolgen“ anpreist, was jeder gerne möchte, dann müssen zunächst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Rosenfelder „vergaß“ leider zu sagen, wie man in die Situation kommen könne, alle Fälle nachzuverfolgen.
Ich lasse jetzt einiges weg, wie z. B. die „dystopischen Schulen“ oder man setze angeblich auf „Lockdowns in Intervallen“, um noch etwas Raum für die stärkste Behauptung zu haben: „Die Strategie der Bundesregierung ist eine Sackgasse. …“ Deshalb darf man „sich über Verschwörungstheorien nicht wundern“. Nun weiß ich endlich, wer für die Verschwörungstheorien letztlich verantwortlich ist, danke. Die gäbe es sonst gar nicht. Bravo!
Ich will nicht ausschließen, dass es in Rosenfelders Argumentation auch bedenkenswerte Details gibt. Diese werden für mich jedoch durch seine manipulierende und zuweilen demagogische Diskussionsweise zugeschüttet.
Fazit: Journalistisch eine Katastrophe (5-), nicht auf Überzeugung aus sondern hochgradig manipulativ, dennoch wird die Zustimmungsrate für Rosenfelder vermutlich höher liegen als für Heinemann.
Nun darf man natürlich auch untersuchen, wie überzeugend oder wie und wo manipulierend meine Anmerkungen sind.