Politopa bietet natürlich der Weisheit letzter Schluss. Scherz beiseite, ich kann auch nur Stückwerk bieten, wobei das eine überzeugend sein mag, das andere dagegen sehr spekulativ. Im ersten Teil dieser Betrachtungen würde ich mich auf einige taktische Fehler des Wahlkampfes beschränken, in den weiteren Teilen die konzeptionellen Mängel näher beleuchten, wenn wir auch gleich sehen werden, dass beide Seiten nicht immer getrennt werden können.
Erster Fehler – und meines Erachtens der schwerwiegendste taktische Fehler: der Wahlkampf wurde nicht sofort und mit Wucht mit dem beginnenden Schulz-Hype aufgenommen. Schulz ist bis zum Programmparteitag abgetaucht und hat sich außerdem aus den Landtagswahlkämpfen weitestgehend herausgehalten, anstatt sie als Vorbühne das Bundestagswahlkampf zu nutzen. Die angebliche Rücksichtnahme auf die Wünsche von Hannelore Kraft wirkt wenig überzeugend. Überzeugender scheint mir, dass er einfach noch nicht wusste, was er wollte und für diese Pause bis zum Sommer recht dankbar war. Hier sieht man besonders deutlich, dass Konzeption und Taktik sehr eng zusammenhängen können. Wenn dem so ist, dann muss man eigentlich nachträglich sagen, dass die Vorbereitung von Gabriel auf den Wahlkampf miserabel war und Schulz dieses Angebot nie hätte annehmen dürfen. Weihnachten kommt eben jedes Jahr immer wieder unverhofft und total überraschend.
Zweiter Fehler: die eigenen Leistungen in der Groko hätten immer wieder gebetsmühlenartig dargestellt werden müssen, sodass die Einvernahme dieser Leistungen durch Merkel gar nicht möglich gewesen wäre. Aber dazu hätte man auch präsent sein müssen. Und vor allem hätte man immer wieder die Konzepte nennen müssen, die man wegen CDU & Co. nicht habe durchsetzen können und man auch in einer zukünftigen Groko nicht werde durchsetzen können. Aber welche Konzepte wären das eigentlich? Ich wüsste auf Anhieb nichts zu nennen, was 2013 unter den Tisch gefallen ist, aber dafür wären auch die Archive der Koalitionsverhandlungen zuständig. Jedenfalls wäre dann schon eine neue Groko konzeptionell ausgeschlossen und Schulz müsste sich nicht jetzt gegen den berechtigten Vorwurf verteidigen, dass er sich auf einen Ministerposten schon während des Wahlkampfes eingerichtet habe.
Dennoch halte ich es für richtig, dass er eine Groko nicht prinzipiell ausgeschlossen hat, denn wenn die SPD gestärkt aus der Wahl hervorgegangen wäre, könnte man in der Groko sicher mehr bewegen als in der Opposition. Es stimmt also, die Groko ist abgewählt, auch wenn sie noch eine Mehrheit hätte.
Dritter Fehler: der Auftritt von Schulz beim sogenannten Duell. Die Schuld dem Konzept, sprich den Fragenden, zuzuschreiben, ist zwar richtig, aber keine hinreichende Erklärung. Ein Politiker spricht immer über das, worüber er sprechen will – jedenfalls im Wahlkampf – und nicht wonach er gefragt wird. Wenn er über Bildung sprechen will, dann ist jedes Stichwort dafür eine Vorlage, auch das Stichwort Flüchtling. Das gleiche Stichwort liefert auch genügend Gründe, um über Umweltschutz, über Altersarmut und über Superreichtum und so weiter zu sprechen. Wir erleben das ständig in jedem Politikertalk und bei diesen vier Damen und Herren Medienvertreter sollte das nicht gehen?
Und nun, nach der Wahl, erleben wir plötzlich einen aggressiven Schulz, einen kampflustigen Schulz. Wie geht denn das plötzlich? Nach dieser Niederlage kommt es wohl nicht mehr darauf an? Worauf kam es eigentlich vorher an? Man täusche sich aber nicht, der Ton mag zuweilen aggressiv, teilweise gar beleidigend geworden sein, aber er ist nicht wirklich mutiger geworden. Ich höre etwas Weinerliches heraus: diese Staubsauger-Metaphorik, diese Merkel, die alle fremde Ideen aufsaugt, ist ja nichts als das bekannte Kinderspiel: die hat mir meine Puppenlappen geklaut. Da lächelt sie natürlich nur. Der Patentschutz auf politische Ideen muss erst noch eingeführt werden.