„Wie finden Sie den eigentlich?“

Autofahren mag anstrengend und Umwelt verschmutzend sein, aber es hat einen ganz entschiedenen Vorteil: es zwingt zum geduldigen Radio hören, zum geduldigen Zuhören, wenn man sich nicht unentwegt von Musik – mag sie noch so schön sein – zududeln lassen will. Und man hört vielleicht auch einiges, was man sonst nicht in sein Zeitbudget hineinlässt. Kurz: ein Interview mit Alexander Gauland – dem CDU-gestählten Schlachtross der AfD – wäre ohne langweilige Autofahrt gewiss nicht so intensiv in mich eingedrungen. Es wurde im Inforadio für 12:22 Uhr immer wieder und eindringlich angekündigt, so dass es mir fast wie Verrat am Sender vorgekommen wäre, wenn ich auf Klassik umgeschaltet hätte.

Warum auch nicht. Muss doch mal sehen, wie die mir bislang unbekannte Journalistin Sabina Matthay mit diesem ausgebufften Politprofi klarkommt. Um es vorweg zu nehmen, sie kam nicht klar, überhaupt nicht. Wohin sie auch griff, griff sie daneben. Sie fing an mit dem bekannten Wahlplakate der AfD, dem Bikini-Po-Motiv. Was für ein übler Sexismus der AfD doch damit zum Ausdruck komme. Obwohl hier G.  leicht schwächelte, in eine völlig unnötige Verteidigungshaltung ging: „ich habe es nicht ausgesucht“, es dann aber doch – ein wenig versteckt hinter dem Rücken anderer – verteidigte, blieb ihr wiederholtes verkrampftes Nachhaken nicht nur wirkungslos sondern verhalf G. erst zum Luft holen, um dann Frau M. als zimperliche alte Jungfer dastehen zu lassen.

Nachdem sie sich eine gefühlte Viertelstunde mit diesem Plakat abgemüht hatte, wechselte sie dann doch das Thema und versuchte G. nun am Putin-Haken aufzuhängen, denn die völkerrechtswidrige Besetzung der Krim könne er ja wohl kaum gutheißen. Nun so schrecklich völkerrechtswidrig fand der Herr G. das gar nicht und versteckte sich dabei unnötigerweise hinter Herrn Lindner, der möglicherweise wegen seiner „mutigen Äußerungen“ schon weiche Knie bekommen hat. Hier reichen eigentlich die Hinweise auf das großherzige Krim-Geschenk Chruschtschows an die Ukraine, die möglicherweise nicht gar so illegitime Abstimmung der Krim-Bewohner, die völkerrechtswidrige Ausdehnung der NATO-Grenzen, die möglicherweise nicht so sehr völkerrechtlich zu rechtfertigende Eingliederung der Krim, um für Russlands Politik einfach ein Stück Verständnis aufzubringen, ohne sie gleich gutheißen zu müssen. Mit G.s Argumentation wurde das Kuriosum deutlich, dass es in dieser Frage von ganz rechts (AfD) über die selbsternannte Mitte (FDP) bis zu ganz links (Die Linke) eine überraschende Übereinstimmung herrscht. Bei dieser Spannbreite kann ich mir vorstellen, dass auch bedeutende Teile von CDU, SPD und Grüne nicht so sehr glücklich über die offizielle Ostpolitik sind. Da es die Wirtschaft – jedenfalls die europäische Wirtschaft – ohnehin nicht ist, darf ohne besonderen Scharfsinn prognostiziert werden, dass diese Politik wohl schon auf kurze Sicht nicht haltbar ist. Und dann müssen wir der AfD konzedieren, dass sie die deutsche Politik vor sich her getrieben hat. Frau M. hat Herrn G. dafür die Bühne geboten.

Also am Putin-Haken ließ  sich G.  nicht aufhängen, dann müsse es doch der Trump-Haken sein. Hier versuchte sie herumstochernd Fuß zu fassen. Aber es war – jedenfalls mir – so unklar, dass ich mich beim besten Willen nicht mehr an Einzelheiten erinnern kann. Das muss Frau M. wohl selbst gemerkt haben, um etwas später noch einmal auf Trump zurückzukommen und zum entscheidenden Schlag auszuholen: „Wie finden Sie den eigentlich?“ Darauf schluckte G.,  schnaufte leicht und man spürte, wie er zu Boden ging und er nur noch röchelnd von sich gab: „Mich interessiert mein Urteil über Trump gar nicht“. Die Antwort ist für sich so schön (ich werde sie mir für viele andere Zwecke klauen- ich hoffe, er hat sie nicht patentiert), dass sie das Ende des Interviews hätte sein können. Aber wenn Politiker reden, ist kein Halten, so also setzte er fort: es ist für mich nicht wichtig wie ich einen amerikanischen Präsidenten finde sondern nur ob seine Politik nützlich und gut für Deutschland ist. Auch hier mag Frau M. nicht nachhaken, so will ich es wenigstens versuchen: Für mich ist auch wichtig, ob ein amerikanischer Präsident gut und nützlich für die Welt ist und ich will mir auch Gedanken darüber machen dürfen, ob er gut und nützlich für Amerika ist. (Um Himmels willen, was habe ich da gesagt, ich will natürlich keinem Regime-change in Amerika das Wort reden.)

Nach diesem journalistischen Versagen frage ich mich: War das Absicht? Wollte man (Frau M. oder das Inforadio oder beide) G. diese Bühne bieten:  mit lächerlichen Fragen, ungenügendem Nachhaken, vermeiden relevanter Themen. Es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben, als weitere Zwölfzweiundzwanzig-Sendungen zu hören, um mir ein fundierteres Urteil bilden zu können.